Fragen über Fragen

Ready?

Vincent sagt, er sei neidisch auf mich. Das hätte ich nicht gedacht. Ich dachte, er wollte ein stabiles Leben. He’s „losing a lot“. Ich weiß, was er meint. Ich weiß nicht, wie ich klarkäme, wenn ich nach Hause müsste. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch mit ihm reden wollte in der ganzen Misere. Ich könnte nur weinen. Ich weiß nicht, was ich behalten könnte von meinen jetzigen Errungenschaften. Ich „brauche“ einen Job, etwas, das mir gestattet zu reisen & etwas zu tun zu haben bzw. eine Routine & menschlichen Umgang zu haben ohne mich zu vereinnahmen. Routine brauche ich gar nicht mal so dringend, die kann ich mir auch selber machen, aber Einsamkeit (Inputlosigkeit) ist ein Problem. Ich muss die Welt „sehen“. Eine Art Job ist eine Art Infrastruktur, sodass man sich nicht ständig um den Kleinkram des Reisens kümmern muss. Nur Reisen ist Geldausgeben. Der Luxus der Infrastruktur kann durch einen Job erreicht werden. Dann hätte ich die Dinge, die ich bräuchte, um zu leben & frei zu sein. Ich will mich nicht langweilen & ich will meinen Kopf nicht versklaven für die „Arbeit“. Der Job müsste in mein Leben passen & von Vorteil für mich als Person & Mensch & mein Schaffen sein – eine Verbesserung zu der finanziell nicht nachhaltigen Urlaubs-/ Touristenexistenz/ kreativen Freiphase. Es muss nicht alles eine Verbesserung sein. Ein Job (mit Geld) würde mir Spaß bringen, nur kein Job für das ganze Leben, der mein ganzes Leben ist. Ich will einen vorteilhaften Job. Es wäre schön, mit Menschen außer mir selbst zu tun zu haben, vielleicht Spanisch zu sprechen – auf jeden Fall nicht Englisch. Vincent fragt mich manchmal (regelmäßig) nach meinem Spanisch – auf die selbe Art wie er nach dem Kontakt zu meiner Familie & nach meinem Wohlbefinden (“so you’re ok?“) fragt.

Das sind Fragen, die sich wiederholen, von denen ich merke, dass sie ihn interessieren, vielleicht sogar unfreiwillig; etwas, das tief in seinem Charakter steckt. Etwas, das existenziell wichtig für ihn ist. Es ist kein Interesse des Interesses halber. Es ist kein Interesse in dem Moment. Es ist etwas, das aus ihm herausplatzt, das er fragt ohne darüber nachgedacht zu haben. Ich bin mir so unsicher mit dem, was ich schreibe. Es ist wie etwas, das er wissen muss, für sich selber. Es ist ihm wichtig unabhängig von mir. Dies sind die Dinge, die Vincent wichtig sind. Denen er sich nicht erwehren kann. Es ist zu tief in ihm drin. Ich weiß nicht, ob ich nicht vielleicht unabhängig von Vincent sein muss, um mich zu entwickeln, mich nicht zu abhängig zu machen & mich nicht so sehr beeinflussen zu lassen. Vincent hat auch Probleme. Jeder Mensch hat Probleme. Vielleicht muss ich ich selber sein. Definitiv. Vielleicht können wir irgendwann zusammenfinden, uns in einer Beziehung finden, uns gegenseitig finden, uns selbst dort finden. Ich möchte mich selbst finden. Ich möchte mich selbst in Vincent finden. Ich möchte mich niemals wieder für einen Mann verstellen, um ihm zu gefallen. Ich möchte mich selber finden & mich in der Beziehung zu Vincent finden. Das ist das Aufregende. “You do it with someone.“ “You’ll never be ready.“ You’ll get ready with someone. The depth of feeling Vincent has, is the feeling I want. I am afraid he will change but then again he’s been in this life before. And he can leave it anytime. He’ll “go again when [he] need[s] to“. He is so firmly related to reality. And he believes in feeling more than anything. He doesn’t even have to say it.

Wichtige Fragen. Er braucht die Antworten. Vielleicht könnte ich auf Dauer nicht mit Vincent sein. Vielleicht „brauchen“ wir ein bisschen Distanz, damit jeder genug Zeit mit sich selbst & seinen Wünschen hat. Ich habe jetzt einen Monat der Fantasie. Wir reden im Schnitt einmal im Monat, mehr kann man nicht erwarten. Vincent hat ein volles Leben – „voll“ im Sinne von „ganz“, „komplett“ mit allem drum & dran. Wenn man das hat, hat man nicht viel Zeit für Sperenzien. Man ist ständig müde & hat viel zu tun. Es bleibt keine Zeit, sich Fragen zu stellen. Ich möchte Vincent etwas anderes geben. Ich möchte nicht Teil von all dem Grau sein, das man machen muss. Ich war überrascht, dass er neidisch auf mich ist. Das heißt er ist neidisch auf das, was ich mache, oder auf meine Situation. Hat es mit mir zu tun oder mit den Umständen? Hat es damit zu tun, was ich habe, weil ich ich bin, oder weil ich „Glück“ habe? Bewundert er mich, weil er neidisch ist, oder missgönnt er mir, was ich habe, als wäre es etwas, das vom Himmel gefallen ist? Nichts ist vom Himmel gefallen. Aber die Dinge regeln sich selber. It’s strange to be envied, especially when not knowing what for exactly. Er vermisst die Ideen von anderen Menschen, Offenheit, Input, neue Gedanken, ein aufregendes Leben, das interessanter & weniger oberflächlich als der Alltagstrott ist. Ich glaube nicht, dass er missgünstig mir gegenüber sein könnte. Das ist nur mein Desasterkopf. Das schlimmste Szenario, zumindest eins, das zu Problemen führen könnte, wäre ein neidischer Vincent, der in mir nur sieht, was er nicht hat. Vielleicht wollte er nur zum Ausdruck bringen, wie er fühlt. Envy ist ein gutes & wichtiges Gefühl. Das bedeutet, ich lebe etwas, das er will. Meine wenig empathische Seite detektiert ein Problem, aber Vincent ist nicht Charles. Charles wäre einfach nur oberflächlich in seinen Gefühlen, vielleicht sogar neidisch & missgünstig (er würde so erscheinen), wenn er sich einreden würde, dass es korrekt sei, dass ich etwas Böses getan hätte.

Vincent ist nicht so. Er ist ein anderer Mensch. Er hat seinen eigenen Kopf, den er benutzt zum Nachdenken & Sortieren. Wenn Vincent sortiert, reflektiert er, ordnet die Dinge, die er erlebt hat. Vincent sucht nach Bedeutungen, Gründen, Sinn & findet gute Erklärungen. Er hat schon viel gefunden, das ich nicht so gefunden hätte. Er hat sein eigenen Leben & ich hab meins. “I envy you“. It might mean he envies my life. It might be a compliment. It might be a sign he finds me interesting. Stronger feeling. He has a strong feeling towards me. Strong with a hint of ambivalence. Push & pull. Envy: wanting & not wanting to want it? Wanting something one doesn’t have & cannot have in that moment but sincerely wanting. Envy can be outright & open. It’s not a bad emotion. It’s a wish, a hope, something to dream of. It’s material for imagination. It’s only a strong desire – nothing else. Something that’s missing that one needs to live. That one wants/ thinks to need to live happily & content. I believe Vincent that he needs this freedom, a breath of fresh air, opportunity to grow & see & experience & be himself & spend time with himself & find out who he is & what he wants & be himself. I think that’s what he wants. That’s why he finds my freedom appealing. It would allow him to be himself – without any expectations from the outside world placed on him. It would allow him to be himself. That’s the best kind of Vincent. He is brilliant when he is himself. He needs time for himself. I understand. Everyone needs this, he knows. Not everyone knows. Maybe I am an inspiration & the envy shows this? Maybe I represent something he wants. I never thought I would be admirable to him. He seems to appreciate something I have. What I have is to do with me. He seems to appreciate me? Am I showing him something (by only being myself)? Am I radical compared to his grey surroundings? Am I quite the colourful butterfly?
If so, I’m glad he’s not showing it.

Málaga
16.01.2023
Copyright Hannah Knaack-Völker
Alle Rechte vorbehalten.

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